Es wird ernst: Kohlekommission zwischen Versorgungssicherheit, Strukturwandel und Klimaschutz

Gestern besuchte die Kohlekommission die von Braunkohle geprägte Region Lausitz. Hier erwartet man Pläne für einen schrittweisen Kohleausstieg, die der Region Strukturwandel und den Ersatz wegfallender Arbeitsplätze ermöglichen. Dementgegen steht der wachsende gesellschaftliche Druck einen möglichst raschen Kohleausstieg zu beschließen.

Mit einer Großdemo mit über 50.000 Teilnehmern feierten Umweltschützer vergangene Woche den nach langen Protesten erreichten Rodungsstopp im Hambacher Wald. Und auch die allgemeine Zustimmung zu einem raschen Kohleausstieg in Deutschland wächst. Bereits 73% der Deutschen möchten einen Kohleausstieg bis spätestens 2030, 46% sogar bis 2025. Die Hamburger Stiftung World Future Council hält einen Kohleausstieg bis 2025 angesichts des Montag veröffentlichten IPCC-Klimaberichts ebenfalls für notwendig. Nur so, sagt sie, lasse sich das 1,5 Grad-Ziel noch erreichen.

Der aktuelle Zeitplan der Kommission ist allerdings weniger ambitioniert. Sie legte Mitte September Pläne vor nach denen die letzten Kohlekraftwerke erst 2035-2038 geschlossen werden sollen. Der Lausitz käme dieses späte Datum gelegen. Hier fordert man: erst den Strukturwandel weiter voranbringen und Jobs schaffen und dann über den Kohleausstieg reden. Die Regierungen Brandenburgs und Sachsens orientieren sich hierbei an den Forderungen des Tagebaubetreibers und schlagen sogar erst einen Ausstieg im Jahr 2045 vor.

Doch nicht nur drohende Arbeitslosigkeit erschwert einen schnellen Ausstieg aus der Braunkohle. NRW Ministerpräsident Laschet äußerte diese Woche bei Anne Will kritisch: “Bis 2022 wollen wir komplett aus der Kernenergie aussteigen, zum Dezember steigen wir aus der Steinkohleförderung aus, amerikanisches Frackinggas wollen wir nicht, Nord Stream wollen wir auch nicht. Sie werden ein Industrieland zum heutigen Zeitpunkt aber nicht mit Wind und Sonne erhalten.”

2017 waren erst etwa 35% der Stromproduktion erneuerbar. Daher scheinen Laschets Bedenken auf den ersten Blick begründet. Wirkliche Veränderungen lassen sich jedoch nur erzielen, wenn ein klares Ziel vor Augen ist. Sinnvoll ist daher der schnelle Beschluss eines festen Ausstiegsdatums für Kohle. Einen Vorschlag hierfür wird die Kohlekommission in ihrem Abschlussbericht am 15. Dezember liefern. Im Sommer 2019 soll dann der Bundestag über ein Gesetz zum Kohleausstieg entscheiden.

Mit ambitionierten Verpflichtungen für den Ausstieg aus der Kohle ließe sich dann das erreichen, was wissenschaftlich bereits für möglich gehalten wird: Eine 100% erneuerbare Energieversorgung. Wirtschaftlich sind erneuerbare Energien bereits heute. Ein privater Photovoltaikanlagenbesitzer kann bereits für 10-14 Cent pro kWh eigenen Solarstrom erzeugen, während der Strommix aus dem Netz 29 Cent kostet. 

Was noch fehlt ist die intelligente Verteilung der erneuerbaren Erzeugungskapazitäten durch Energiespeicher und den Ausbau der Stromnetze. Mit der Sicherheit eines Kohlekraftwerks im Rücken war dies bisher nicht notwendig. Nun ist es jedoch Aufgabe der Regierung, die nötigen gesetzlichen Rahmenbedingungen und Anreize für einen raschen Wandel zu schaffen.

Ob das letzte Kohlekraftwerk nun 2035 oder 2025 vom Netz geht – die Lausitz steht vor großen Herausforderungen. Und nicht nur sie. Angesichts der globalen und dramatischen Tragweite des Klimawandels bleibt keine Wahl als die rasche Anpassung an das neue Gesicht der Energiebranche: statt Energieriesen bilden nun tausende kleine Anlagenbetreiber und Energieversorger das Rückgrat der deutschen Energieversorgung. Auch diese bieten bereits Beschäftigung für über 300.000 Menschen. Tendenz steigend.

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